Rückblick zum Konzert
Der Besuch eines Konzerts am Wahlsonntag kurz vor Schließung der Wahllokale ist nicht die schlechteste Möglichkeit, sich die Zeit bis zur ersten Hochrechnung zu vertreiben.
Der Kammerchor der Ginnheimer Kantorei unter der Leitung von Bernd Lechla mit der Pianistin Ilona Sandor und dem Solotenor Ralf Petrausch nahm die Besucher mit auf eine musikalische Reise in die unstete und aufregende Welt der Zigeuner. Robert Schumanns Interpretation des Zigeunerlebens op. 29 Nr. 3 nach einem Gedicht von Emanuel Geibel entführte die Zuhörenden in ein Zigeunerlager. Die Ungarin Ilona Sandor mit ihrem grandiosen und sehr einfühlsamen Klavierspiel und der Kammerchor lebten das Leben des fahrenden Volkes vom fröhlichen Gesang am abendlichen Feuer bis hin zum fragenden "Wohin", das die gesamte Ruhelosigkeit des ständigen Unterwegssein ausdrückte, beeindruckend vor.
Innig und hinweisend auf die Vergänglichkeit des Lebens sangen die Frauen des Kammerchors in Franz Schuberts Ständchen op.post. 135,D 921 die musikalische Interpretation von Franz Grillparzers Gedicht "Zögernd leise in des Dunkels nächt'ger Stille sind wir hier", während der Tenor Ralf Petrausch "zart und leise an des Liebchens Kammertür" pochte.
In Franz Schuberts Vertonung des Gedichts von Johann Gabriel Seidl "Nachthelle" op. 134, für Männerstimmen und Tenor solo ließen die kräftigen, wohl akzentuierten Männerstimmen den silbernen Mond aufgehen und die Nacht im allerhellsten Glanz leuchten. Es war ein Kampf zwischen Licht, dargestellt vom glockenhellen, sehr hohen Tenor Ralf Petrausch und der Dunkelheit, kontrastreich aufgenommen von den starken, tiefen Männerstimmen.
Johannes Brahms Zigeunerlieder op.103 breiteten ein Schatzkästlein ungarischer Zigeunerweisen aus. Obwohl die elf ausgewählten Lieder überwiegend nach einheitlichem musikalischem Schema aufgebaut waren, sprudelte das pralle Leben in all seinen Facetten der Zigeuner vor den Ohren und inneren Augen der Zuhörer aus dem Kammerchor regelrecht heraus. Ilona Sandor intonierte temperamentvoll und eindringlich den typischen Czardasrhytmus im 2/4 Takt, der diesen Liedern einer ungarischen Kinderfrau unterlegt waren. Halbtonschritte imitierten das Schluchzen und Seufzen, wenn wieder einmal ein Abschied von liebgewordenen Menschen nahte. Wogende Melodien, fast im Tanzschritt, wenn der Liebesrausch die nahende Trennung vergessen ließ, und innig, andachtsvoll als Bitte an Gott, der die Scheidenden einst wieder vereinen soll.
Summa summarum: ein gelungenes Konzert voller Zigeunerleben und mit dankbar begeisterten Zuhörern.
RR